Instruktiv hierzu BGH, Urteil v. 15.07.2011, Az. V ZR 171/10

Speziell im Gebrauchtwagenhandel stellt sich häufig die Frage, ob ein Mangel arglistig verschwiegen wurde. Dadurch wird der Gewährleistungsausschluss bei Privatverkäufen (neudeutsch: „Verkauft unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ oder klassisch: „gekauft wie gesehen und Probe gefahren“) aufgehoben. Aber auch bei einem Gebrauchtwagenkauf beim Händler oder einem Neuwagenkauf (z.B. VW Abgas-Skandal) kann in einem derartigen Fall des Betrugs der Rücktritt vom Vertrag erklärt und Schadenersatz gefordert werden.

Worin liegt der Unterschied zwischen arglistiger Täuschung und arglistigem Verschweigen?

Der Unterschied ist juristischer Natur. Wer täuscht handelt. Er antwortet ggf. auf eine Frage bewusst falsch oder manipuliert das Fahrzeug, so dass der Mangel kurz behoben ist. Derartige Betrügereien sind in der Praxis jedoch selten bzw. selten nachweisbar.

Die gleiche Rechtsfolge kann jedoch auch dann entstehen, wenn er den Käufer nicht über alles Wissenswerte aufklärt.

Welche Voraussetzungen hat die arglistige Täuschung bzw. ein arglistiges Verschweigen durch den Verkäufer?

Eine Voraussetzung von arglistigem Verschweigen ist, dass der Verkäufer den Fehler kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urteil v. 07.03.2003, Az. V ZR 437/01; BGH, Urteil v. 12.04.2013, Az. V ZR 266/11). Hierbei kommt es alleine und entscheidend darauf an, ob der Verkäufer die den Fehler begründenden Umstände kannte. Nicht erforderlich ist, dass er sie zutreffend als Fehler im Sinne des Gesetzes einordnet (BGH, Urteil v. 07.03.2003, Az. V ZR 437/01). Leider ist es erforderlich dem Verkäufer positive Kenntnis nachzuweisen. Leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt genauso wenig, wie wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen von Tatsachen hätte aufdrängen müssen, die einen Mangel begründen (BGH, Urteil vom 12.04.2013, Az. V ZR 266/11, juris Tz. 13). Beim Gebrauchtwagenhandel dürfen jedoch hier an einen Händler andere und wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden, als an einen privaten Verkäufer (Palandt, § 444 BGB Rdnr. 11).

Ferner muss als Anspruchsvoraussetzung bei arglistigem Verschweigen des Verkäufers eine Aufklärungspflicht hinzukommen, die der Käufer aufgrund der Verkehrsanschauung nach Treu und Glauben erwarten durfte (Palandt § 442 BGB Rdnr. 18). Bei Vertragsverhandlungen wird eine rechtliche Verpflichtung zur Aufklärung auch ohne Nachfrage angenommen, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (BGH, Urteil v. 11.08.2010, Az. XII ZR 192/08). Davon geht die Rechtsprechung insbesondere bei solchen Tatsachen aus, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH, Urteil v. 11.08.2010, Az. XII ZR 192/08). Dies gilt jedoch nicht für offensichtliche Mängel, die einer Besichtigung zugänglich und damit erkennbar sind. Mängel die der Käufer bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann sind von dieser Regelung ausgenommen (BGH, Urteil v. 02.02.1996, Az. V ZR 239/94; BGH, Urteil v. 05.06.2012, Az. V ZR 198/11).

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, so muss der Käufer dem Verkäufer im Falle des Rücktritts keine Frist zu einer Nacherfüllung setzen. Es ist sogar unschädlich, wenn er bereits eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat (OLG München, Urteil v. 09.06.2016, Az. 23 U 1201/14). Grundsätzlich setzt der Rücktritt vom Kaufvertrag den erfolglosen Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung voraus. Dies ergibt sich aus §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Liegen jedoch besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Ausübung des Rücktrittsrechts rechtfertigen, §§ 323 Abs. 2, 440 BGB, so bedarf es keiner vorhergehenden erfolglosen Nacherfüllung (Reparaturversuch). Dies ist nach der gängigen Rechtsprechung beispielsweise immer dann der Fall, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bekannten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages verschwiegen hat. In diesem Fall argumentieren die Richter in ihren Urteilen, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt ist (BGH, Urteil v. 08.12.2006, Az. V ZR 249/05).

Unfalleigenschaft als Sachmangel oder doch nur Bagatelle?

Instruktiv BGH, Urteil v. 10.10.2007, Az. VIII ZR 330/06

Beim Thema „Unfallschäden“ fehlt es immer wieder an einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Parteien machen hierzu einfach keine Angaben. Auch wenn mit der Formulierung „Unfallfrei lt. Vorbesitzer“ die Arglist ausgeschlossen wird, so kann dennoch ein Mangel am Fahrzeug vorliegen, der zum Rücktritt berechtigt.

Für Eilige das Wichtigste in Kürze:

In der Regel kann der Kaufpreis immer gemindert werden, wenn ein nicht angegebener Unfallschaden nachträglich entdeckt wird. Die Formulierung „Unfallfrei lt. Vorbesitzer“ schließt die Minderung des Kaufpreises gerade nicht aus.

Die Sollbeschaffenheit ergibt sich in der Regel auch nicht aus der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung, da das Fahrzeug meist „zum Fahren im Straßenverkehr“ gekauft wird, was zweifellos auch mit einem Unfallfahrzeug möglich ist, solange die Betriebssicherheit durch den Unfall nicht beeinträchtigt ist. Das Fahrzeug ist nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (vgl. Palandt § 434 BGB Rdnr. 70).

Diese Voraussetzung als erfüllt unterstellt, stellt sich nun die Frage, ob „Unfallfreiheit“ eine Beschaffenheit ist, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer erwarten kann.

Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen (BGH, Urteil v. 23.11.05, Az. VIII ZR 43/05). Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung; für das, was der Käufer erwarten darf, kann ferner der Kaufpreis oder der dem Käufer erkennbare Pflegezustand des Fahrzeugs von Bedeutung sein (vgl. OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2007, 32; Palandt/Weidenkaff, aaO, Rdnr. 29 und 30; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1236).

Damit sind im jeweiligen Einzelfall die Art des Schadens (Substanzschaden oder lediglich Teiletausch) und die Höhe der Reparaturkosten (für eine fachgerechte Reparatur in einer Fachwerkstatt) in Abgleich zu bringen. Hieraus ergibt sich dann, ob es sich um einen nicht unüblichen und daher hinzunehmenden "Bagatellschaden" oder um einen außergewöhnlichen, nicht zu erwartenden Fahrzeugmangel handelt.

Hier wird auf die gängige Rechtsprechung zur Offenbarungspflicht von Schäden und Unfällen beim Gebrauchtwagenkauf zurückgegriffen. Danach muss der Verkäufer eines Gebrauchtwagens einen Schaden oder Unfall, der ihm bekannt ist oder mit dessen Vorhandensein er rechnet, grundsätzlich auch ungefragt dem Käufer mitteilen, außer der Schaden oder Unfall war so gering, dass er bei objektiver Sicht eines neutralen Dritten den Kaufentschluss nicht hätte beeinflussen können. Die Grenze für nicht mitteilungspflichtige "Bagatellschäden" ist bei Autos eher niedrig. Als "Bagatellschäden" sieht die Rechtsprechung nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden an, regelmäßig jedoch nicht andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war (in einem Falle aus dem Jahre 1961 332,55 DM) (BGH, Urteil v. 03.12.1986, Az. VIII ZR 345/85). Eine fach- und sachgerechte Reparatur des Schadens nach dem Unfall ist für die Offenbarungspflicht unbeachtlich (vgl. BGH, Urteil v. 22.06.1983, Az. VIII ZR 92/82).

Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug bei einem Unfall einen erheblichen Schaden erlitten hat, begründet den Mangel. Bei einem Gebrauchtwagenkauf kann der Käufer erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als "Bagatellschäden" gekommen ist. Eine echte Grenze in Euro besteht nicht, da es immer auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Der Betrag von 332 DM aus dem Jahre 1961 zeigt jedoch, dass die Latte sehr tief hängt. Nur leichte Lackkratzer und kleine Dellen sind nicht zu offenbaren und stellen demnach auch keinen Mangel dar. Blechschäden sind in der Regel immer als Mangel anzusehen und der Käufer kann zumindest den Kaufpreis mindern.